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Vergewaltigungsfall endet mit Freispruch – und Knast

Hat der Angeklagte eine 18-Jährige in einer Kellerwohnung in Marbach wie eine Haussklavin gefangen gehalten? Dafür fehlen die Beweise.

  • Eine Geiselnahme hat laut Landgericht Heilbronn nicht stattgefunden.Foto: dpa/Marijan Murat

    Eine Geiselnahme hat laut Landgericht Heilbronn nicht stattgefunden.Foto: dpa/Marijan Murat

Marbach/Stuttgart - Erleichtert nimmt A. das Urteil entgegen. Wenig später verlässt er mit Familienangehörigen das Landgericht Heilbronn. Fast ein Jahr saß er in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft forderte neuneinhalb Jahre. Der 38-Jährige aus Marbach soll vor etwa einem Jahr eine 18-Jährige aus einer psychiatrischen Klinik in Stuttgart entführt haben, um sie als Haussklavin mehrfach zu vergewaltigen.

Zwar sprachen die Indizien dafür, dass A. mit der jungen Frau Sex hatte, doch konnte das Gericht nicht eindeutig feststellen, ob es sich nicht doch um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr handelte. Die 18-Jährige war vor dem Prozess abgetaucht und hält sich im Ausland auf. Sachverständige zogen die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen in Zweifel, was auch mit ihrer psychischen Erkrankung zu tun hat.

Es sei nicht sicher, ob sich die 18-Jährige bei ihrer auf Video aufgezeichneten Befragung durch eine Ermittlungsrichterin richtig an ihr Zusammensein mit A. erinnert habe, teilte der Richter bei der Urteilsverkündung mit. Er zitierte ein Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach bei einer geistigen Erkrankung Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Zeugen berechtigt seien. Die junge Frau hatte sich nach einem Suizidversuch in stationäre Behandlung begeben. Sie sei „teilweise weggetreten“ und könne sich nicht mehr erinnern, habe sie vor der Erstrichterin selbst eingeräumt. Die Gutachter gehen jetzt von „unzutreffender Wahrnehmung“ und „fehlerhaften Angaben“ aus.

Der Richter bedauerte, dass nicht schon unmittelbar nach der Tat eine solche Begutachtung der 18-Jährigen vorgenommen worden war. Ohne ein persönliches Erscheinen könne die Sachverständige nichts Näheres zur Glaubwürdigkeit beisteuern. Das Gericht geht weiterhin davon aus, dass die nach eigenen Angaben Vergewaltigte durch eine schwere Kindheit traumatisiert sei. Im Wunsch nach Anerkennung könnte sie dazu neigen, Dinge überspitzt darzustellen – insbesondere unter dem Druck polizeilicher Vernehmung. Dass sie bereits in zwei Fällen Männer beschuldigt habe, sich ihr sexuell genähert zu haben, könnte ein Schema sein.

Den Tatbestand, A. habe seinen Gast aus der Stuttgarter Klinik entführt, sieht das Gericht nicht als erwiesen an. Die junge Frau habe die Klinik auch schon vorher freiwillig verlassen: „Es spricht viel dafür, dass sie sich außerhalb Mittel beschaffen wollte, die sie in der Klinik nicht bekommen konnte.“

Ganz straffrei geht der Angeklagte aber nicht aus dem Verfahren hervor. Die Kammer verurteilte ihn zu einem Jahr Haft ohne Bewährung. A. habe dreimal gegen den Gewaltschutz verstoßen, als er das elterliche Grundstück betrat – zuletzt mit der 18-Jährigen, um in die Kellerwohnung zu gelangen. A. hatte im Streit seinen Vater geschlagen und seiner Mutter den Arm verdreht. Der mehrfach Vorbestrafte hatte damals auch vor der örtlichen Kauflandfiliale einen angeleinten Bullterrier-Mischling mitgenommen. Freigelassen wurde A. jetzt zunächst, weil er wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung einsaß. Die übrige Freiheitsstrafe muss er aber noch verbüßen.

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