Baden-Württemberg

Schwester vermisst Entschuldigung

Nach dem milden Urteil gegen zwei Polizisten, die an einem tödlichen Polizeieinsatz in Mannheim beteiligt waren, gibt sich die Schwester des Opfers enttäuscht. Der Polizeigewerkschaft wirft sie Korpsgeist und Verhöhnung vor.

  • Mitten in der Mannheimer Innenstadt kam es im Mai 2022 zu einem tödlichen Polizeieinsatz.Foto: dpa/René Priebe

    Mitten in der Mannheimer Innenstadt kam es im Mai 2022 zu einem tödlichen Polizeieinsatz.Foto: dpa/René Priebe

Zwei Jahre nach dem Tod eines psychisch kranken Mannes bei einem Polizeieinsatz in Mannheim warten die Angehörigen immer noch auf eine Entschuldigung der Landesregierung und der baden-württembergischen Polizei. „Das Land Baden-Württemberg lässt uns im Stich“, heißt es in einem jetzt veröffentlichten Brief der Schwester des Mannes an den Vorsitzenden des Innenausschusses des Landtags, Ulli Hockenberger (CDU). Weder der Mannheimer Oberbürgermeister, noch der Innenminister, noch der Ministerpräsident hätten es nötig gefunden, sich zu melden.

Der zuständige Landtagsausschuss habe eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls zugesichert. Der Prozess am Landgericht Mannheim sei dieser Aufgabe aber nicht gerecht geworden, schreibt die Schwester. Das Gericht hatte in seinem Urteil Anfang März einerseits festgestellt, dass der 47-jährige Patient des Mannheimer Zentralinstituts für Psychiatrie ohne die Einwirkung der Polizei nicht gestorben, andererseits der Einsatz insgesamt gerechtfertigt gewesen sei. Ein Polizist wurde zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt, ein zweiter freigesprochen. Beide Beamten können damit im Dienst bleiben.

Scharfe Kritik an Polizeigewerkschaft

Die Frau, die als Nebenklägerin auftrat, legte gegen das Urteil mittlerweile Revision ein. Es sei ein Verstoß gegen die UN-Behindertenkonvention und „ein Signal an alle Beamten, das Polizeigewalt unterstützt wird“. In dem Prozess sei ihr Bruder als Gefahr für die Öffentlichkeit dargestellt worden, kritisierte sie. „Diese Behauptung dient schlichtweg dazu, ein falsches Bild in der Öffentlichkeit zu zeichnen.“ Schwere Vorwürfe richtete sie in diesem Zusammenhang gegen die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Sie habe zwei Privatgutachten in Auftrag gegeben, um das unabhängige Gutachten der Gerichtsmedizin auszuhebeln.

Besonders verletzend hätten es die Angehörigen empfunden, dass der Mannheimer GdP-Chef Thomas Mohr auch noch Geld für die angeklagten Beamten gesammelt habe – „als ob das Opfer noch zusätzlich verhöhnt wird“, so wirke auf sie diese „unmoralische Sammelaktion“, beschwert sie sich in einem zweiten Schreiben an den Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU). Hier zeige sich ein Korpsgeist. „Es sieht nicht so aus, als würden Polizistinnen und Polizisten für den Umgang mit psychisch kranken Menschen ausreichend ausgebildet“, schreibt sie weiter.

Hockenberger kündigt Treffen an

Hockenberger kündigte in einem Antwortschreiben ein persönliches Treffen mit der Schwester an. Er wolle zuvor aber noch die nichtöffentliche Sitzung des Innenausschusses am 5. Juni abwarten. Auf Antrag der Grünen soll es um die besonderen Herausforderungen für die Polizei beim Umgang mit psychisch auffälligen Menschen gehen. Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung gelten 75 Prozent der Menschen, die bei Polizeieinsätzen ums Leben kommen, um psychisch Kranke. Allein in Mannheim gab es in den vergangenen zwei Jahren drei solcher Fälle.

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