Politik

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen kann sich nach der Europawahl eine Zusammenarbeit mit der rechtskonservativen Fraktion EKR im Europaparlament vorstellen. Grüne und Sozialdemokraten sind empört.

  • In Maastricht haben sich die Spitzenkandidaten der Fraktionen im Europaparlament vor der Europawahl im Juni eine  Debatte geliefert. Präsentiert wurde ein interessanter Abend, der aber  auf sehr wenig Interesse stieß.Foto: AFP/MARCEL VAN HOORN

    In Maastricht haben sich die Spitzenkandidaten der Fraktionen im Europaparlament vor der Europawahl im Juni eine Debatte geliefert. Präsentiert wurde ein interessanter Abend, der aber auf sehr wenig Interesse stieß.Foto: AFP/MARCEL VAN HOORN

Niemand interessiert sich offenbar für EU-Politik. Nicht Europas Bürger und auch nicht die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Also fand die erste Debatte der Spitzenkandidaten für die Europawahl Anfang Juni praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur einige Tausend Zuschauer verfolgten im Internet die unter anderem vom Nachrichtenmagazin „Politico“ organisierte Veranstaltung im niederländischen Maastricht. Gerade einmal 983 Zuschauer beteiligten sich unmittelbar am Ende der Debatte an der Abstimmung, wer sich am Montagabend am besten präsentiert hat. Das ist angesichts einer Wahl, bei der über die Zukunft von rund 450 Millionen Menschen entschieden wird, ein Offenbarungseid.

Interessante Erkenntnisse für die Zuschauer

Dabei konnten die Zuschauer, anders als bei vielen nationalen Elefantenrunden, an diesem Abend sehr viel Überraschendes erfahren über die Kandidaten und ihre politischen Programme. Für die größte Aufregung sorgte eine Aussage der amtierenden EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Sie ist Spitzenkandidatin der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament und erklärte, dass sie im Falle einer möglichen zweiten Amtszeit eine Kooperation mit der rechtskonservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) nicht ausschließe. „Es hängt sehr stark davon ab, wie sich das Parlament zusammensetzt und wer in welcher Fraktion sitzt“, sagte die CDU-Politikerin.

In der EKR-Fraktion ist unter anderem die postfaschistische Partei der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni, die Fratelli d’Italia. Dazu zählt auch die nationalkonservative polnische Regierungspartei PiS, die rechtsextreme spanische Partei Vox und aus Deutschland der frühere AfD-Abgeordnete Lars Patrick Berg. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die Teil der extrem-rechten Fraktion Identität und Demokratie ist, schloss die CDU-Frau bei der Debatte aber klar aus.

Auf Kuschelkurs mit Giorgia Meloni

Damit liegt Ursula von der Leyen exakt auf einer Linie mit dem EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Dem CSU-Politiker wird seit Monaten vorgeworfen, einen gefährlichen Kuschelkurs mit Giorgia Meloni zu fahren. Doch Weber verfolgt damit eine offensichtliche Strategie. Alle Umfragen besagen, dass es im nächsten Europaparlament einen Rechtsruck geben wird. Da es die Aufgabe des EVP-Fraktionsvorsitzenden ist, auch in Zukunft bei Abstimmungen über politische Projekte stabile Mehrheiten zu organisieren, sondiert Weber folglich schon jetzt das Terrain rechts der Mitte. Inzwischen haben CDU/CSU eine Sprachregelung für diesen Kurs gefunden: wenn eine Partei pro-europäisch sei sowie die rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätze achte, könne mit ihr zusammengearbeitet werden. Beides trifft in den Augen Manfred Webers auf Giorgia Meloni und die Fratelli d‘Italia zu. Nach der Diskussionsrunde in Maastricht dürfte klar geworden sein, dass auch Ursula von der Leyen das so sieht.

Bas Eickhout schien seinen Ohren nicht zu trauen, als er das hörte. Der Niederländer ist neben der Deutschen Terry Reintke der Spitzenkandidat der europäischen Grünen. „Was?“, fragte er ungläubig lächelnd seine Kontrahentin. Die Aussage Ursula von der Leyens dürfte nicht nur von den Grünen im Wahlkampf als politische Steilvorlage genutzt werden, um die Konservativen direkt zu attackieren.

Der Gewinner des Abends heißt Bas Eickhout

Der Niederländer Eickhout hinterließ bei den Zuschauern an diesem Abend nicht nur in diesem Fall den besten Eindruck. 43 Prozent der 983 Abstimmenden sahen ihn als Sieger der Diskussion, gefolgt von Ursula von der Leyen mit 26 Prozent. Fraglich ist, ob ihm das wirklich viel nützt. Denn zum einen saß an diesem Abend wohl nur die Brüsseler Politik-Blase vor dem Bildschirm und zum anderen droht den Grünen bei der Wahl ein veritabler Absturz in der Wählergunst.

Während Ursula von der Leyen und Bas Eickhout gekonnt das Feld beherrschten, spielten die anderen Kontrahenten keine wirkliche Rolle. Überraschend blass blieb der luxemburgische Sozialdemokrat Nicolas Schmit. Mit ihm als jetzt schon lahmendem Zugpferd dürfte es für die Linken schwer werden, dem befürchteten Rechtsruck bei der Europawahl etwas entgegenzusetzen.

Ernüchternder Auftritt von Strack-Zimmermann

Geradezu ernüchternd war der Auftritt der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die fahrig und schlecht vorbereitet wirkte. Als Antwort auf die Frage, was die EU im Kampf gegen die Klimakrise tun müsse, antwortete sie, dass sie Sicherheitspolitikerin sei. Und selbst zu ihrem Spezialthema fiel der Spitzenkandidatin lediglich ein, dass in Sachen Verteidigung in Europa gemeinsam gehandelt werden müsse. Wenig verwunderlich, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der Umfrage nach der Debatte ganz hinten in der Zuschauergunst landete. ENDE-ENDE

Datenschutz-Einstellungen