Politik

Bundeskanzler Scholz stemmt sich zurecht gegen späteren Renteneintritt

Wer den Deutschen zunehmende Bequemlichkeit vorwirft, zeichnet ein Zerrbild von unserem Land, meint unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet

  • Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist gegen ein höheres Renteneintrittsalter.Foto: dpa/Michael Kappeler

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist gegen ein höheres Renteneintrittsalter.Foto: dpa/Michael Kappeler

Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine weitere Verschiebung des Renteneintrittsalters zurecht abgelehnt. Er stemmt sich damit gegen eine von interessierter Seite in Wirtschaft und Politik losgetretene Kampagne, die ein Zerrbild Deutschlands zeichnet. Da wird suggeriert, die Deutschen seien nicht mehr fleißig genug, arbeiteten zu wenig, müssten zu mehr Überstunden animiert werden und scheuten vor Mehrarbeit zurück. Das Schlagwort vom „Freizeitpark Deutschland“ hat wieder Konjunktur.

Das reale Renteneintrittsalter steigt kontinuierlich

Das alles ist empörendes Gerede, das weit an der Realität vorbei geht. Im vergangenen Jahr waren im Durchschnitt 45,9 Millionen Menschen erwerbstätig. Das war der höchste Stand seit der Wiedervereinigung.

Das Arbeitsvolumen stieg 2023 um 0,4 Prozent auf 61,66 Milliarden Stunden. Das reale Renteneintrittsalter steigt kontinuierlich. Gingen 2010 noch die Hälfte der Beschäftigten vor dem Erreichen 64. Lebensjahres in Rente, ist es heute jeder Fünfte. Im vergangenem Jahr wurden 1,3 Milliarden Überstunden geleistet – deutlich mehr als die Hälfte davon übrigens unbezahlt.

Lebensarbeitszeit-Konten brächten mehr Autonomie

Es stimmt schon, dass mehr Flexibilität dem Arbeitsmarkt gut tut, aber anders als es sich die Vertreter vorstellen, die mit dem dummen Pauschalvorwurf der Faulheit so schnell bei der Hand sind: Gegen eine freiwillige Verlängerung der Lebensarbeitszeit für diejenigen, die dazu noch in der Lage sind, spricht nichts.

Lebensarbeitskonten würden Arbeitnehmern mehr Autonomie und die Chance geben, auf die Anforderungen verschiedener Lebensphasen besser zu reagieren. Und wenigstens in Branchen, die einen tief greifenden Umbruch erleben, ist auch die 4-Tage-Woche ein Modell zur Beschäftigungssicherung.

Diejenigen aber, die ihre Klientelpolitik lieber hinter zugespitzter Rhetorik verstecken, entblößen mit dem Vorwurf der Faulheit nur eines – ihre eigene Denkfaulheit.

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